HFP - zwei Erfahrungsberichte

Eine Ermutigungspille für alle noch nicht "höher Fachgeprüften"

Noch eine Prüfung? Ich bin völlig entrüstet.

Maturaprüfung, Uni Eingangsprüfung Musikwissenschaft, Proseminar- und Seminararbeiten für ein ganzes Buch, Abschlussprüfung: dreitägige schriftliche Prüfung (ich wusste bis damals nicht, dass ich es schaffe, in drei Tagen 25 Seiten Literaturarbeit zusammenzukriegen), mündliche Prüfungen, Lizentiatsarbeit. Uff…geschafft.

Weiter geht’s mit der Realisierung meines Traumes in der Schublade. Wiederaufnahme eines Studiums, zwei Jahre, voll, mit angehängtem halben Jahr Vollzeitpraktikum. Das eine in den USA, das andere in Deutschland. Schon alleine das fühlt sich fast an wie eine Prüfung. English Proficiency Prüfung. Ok, in den USA (natürlich nur nach sorgfältiger Prüfung und Akkreditierung), ständig Prüfungen, jede Woche, manchmal zweimal die Woche, schriftliche Arbeiten (wieder fast ein Buch), eigene Patienten von Anfang an, drei pro Woche, individual, eine Gruppe dazu, mit Supervision natürlich, hinter dem schwarzen Fenster, wie in den Hollywood-Polizeifilmen. Ja schliesslich befinde ich mich ja in den USA, dem Pionierland, dem Land der Möglichkeiten, des Learning by doing, da wo keine Angst besteht, Neues zu wagen, eventuell auf die Nase zu fallen, um wieder aufzustehen (ein übrigens immer noch stark leuchtendes, übernommenes Wertejuwel in meinem Innern). Dementsprechend sind Unis in den USA auch sehr praxisorientiert. Wie auch immer, weiter: Intervision, Intravision, Feldausflüge ins Gefängnis, in die Schule, ins Seniorenheim, Konferenzen, Workshops und Weiss-nicht-mehr-alles-was. In Deutschland angekommen Vollzeitpraktikum. Ich werde weiter geprüft und schreibe auch da Berichte, Protokolle und natürlich eine Schlussarbeit. Zurück in die USA für ein paar Tage: Schlussprüfung. Mach das mal mit Jetlag! Zurück nach Europa, Deutschland, wo meine Familie und ich dann länger leben. Wenn ich freiberuflich oder selbständig arbeiten will, muss ich nochmals geprüft werden. Komm, das machen wir noch, den Heilpraktiker für Psychotherapie. Das krieg ich schon hin.

Nach zwölf Jahren Ausland komme ich wieder in der Schweiz an….ah wie schön, Heimatland. Ja, ja, aber da bin ich – was meine Ausbildung anbelangt – so gut wie eine Fremde. Meine Ausbildung wird geprüft, vom Fachverein, für den ich nun schreibe, und zur Anerkennung vom EMR und von ASCA. Wie schön, es klappt. Nun werden meine Leistungen von den Schweizer Krankenkassen übernommen, Zusatzversicherung versteht sich.

Ich glaube nun, im Trockenen zu stehen, aber ich habe mich dramatisch geirrt!

Nun stehe ich also da voller…wie bitte? Ich als Therapeutin? Das schickt sich doch nicht. Ich gebe es aber zu: …voller Hass. Autsch…ich habe es gesagt. Hass ist ja nichts anderes als enttäuschte Liebe, habe ich mal gelernt. Ja, das passt: Ich fühle mich sehr enttäuscht. Ne, ne, ne…hiess es beim Sekretariat von Artecura, ausländische Ausbildungen werden nicht anerkannt für die Anmeldung zur HFP. Ich vergesse, dass ich am Telefon bin und hebe zaghaft meinen Zeigefinger in die Luft: Möchten Sie nicht vielleicht wissen, woraus meine Ausbildung überhaupt bestand? Ich erinnere mich zurück an meine Zeit als zwanzigjährige Studentin an der Uni. Ich hatte nicht viel übrig für hochnäsige Studenten, die meinten etwas Besseres zu sein, nur weil sie an der Uni waren. Ich habe fleissig das 10-Finger-System erlernt (ich bin seit daher eine stolze Speedy-Gonzales-Tastaturtipperin) und es gab keine Semesterferien, an denen ich nicht arbeitete. Auch wenn ich es nicht nötig gehabt hätte.

Aber nun einfach so abgelehnt zu werden. als wolle ich mich als Strassenfegerin (den Strassenfegern auf der ganzen Welt alle Ehre!) für eine musiktherapeutische Fachprüfung vorstellen, nein, das war Zuviel.

Auch im wahren Leben können aber Wunder passieren, etwa wenn zum Beispiel politische Vorhaben sich auf die Berufsrealität und -landschaft einstimmen. Plötzlich (und ich rede da von Tagen) wurde mir mitgeteilt, eine Akkreditierung durch die ZHdK, auch meines ausländischen Studiums, wäre möglich! Ich war wohl im richtigen Moment am richtigen Ort.

Somit prüfte die ZHdK meine Unterlagen. Und akkreditierte.

Ich konnte mich nun zur Prüfung anmelden und doch etwas aufatmen.

Ehrlich gesagt? Ja, sowieso immer: Ich war gestresst. Neben Familie, Kinder, Arbeit und Projekten noch zu lernen war eine Herausforderung. Zum guten Glück hatte ich anfänglich alles daran gelegt, Ausbildung vor Familiengründung zu setzen.

Dann passierte etwas ganz Wundervolles in mir, und darum geht es mir hier. Ich realisierte, dass es bei dieser Prüfung nicht darum ging, im strikten Sinne mich zu beweisen. Es ging lediglich darum, ein Passe-partout zu bekommen zu einem staatlich anerkannten Diplom, und sogar Beruf! Ich veränderte meine Einstellung: Das machst Du einmal mehr für Dich. Du weisst schon, wer Du bist. Nun geht es darum, dass die Öffentlichkeit anerkennt, was Du machst. Ich erinnerte mich an die Demut und Bescheidenheit, die ich stets aufbringen musste, wenn ich in ein neues System eintrat. Und ich kann mit gutem Gewissen behaupten, dass ich einige Systemübergänge erfolgreich durchgegangen bin. Das gab mir Mut.

Also fing ich an, Spass zu haben beim Lernen und Üben. Diese erneute Offenheit half mir, Altbekanntes nochmals neu zu integrieren. Ich ging an die Prüfung und traf da ein sehr wohlwollendes, hilfreiches und freundliches Artecura-Team. Dies liess den anfänglichen Hass und die Empörung in meinem Herzen noch mehr schmelzen. Es ist gut, auch Solches immer wieder von neuem zu erfahren. Ich gab mein Bestes und bestand die Prüfung.

Ob Sie nun vor der Prüfung stehen, oder vor der Entscheidung, ob Sie diese überhaupt angehen sollten: Sie machen es für sich! So entsteht Selbstbestimmung selbst in fremdbestimmten Situationen. Das Innere strahlt auf das Äussere hinaus.

Viel Glück und Erfolg!

 

Diana Ramette-Schneider

Die Laterne - ein Erfahrungsbericht über die Höhere Fachprüfung

So wie jede Geschichte eine Vorgeschichte hat, möchte ich Ihnen heute auch meine erzählen.                                                                                                         

Dass ich Musiktherapeutin werden möchte, weiss ich schon seit meinem 20. Lebensjahr, dass es kein gerader Weg wird, wusste ich damals jedoch noch nicht. Im letzten Jahrzehnt bin ich die Strecke Amerika – Schweiz – Amerika – Schweiz mehrmals ganz alleine gereist, um mich einerseits meinem Studium und Ausbildung zur Musiktherapeutin zu widmen und andererseits, um herauszuspüren, auf welchem Kontinent ich mich niederlassen möchte. Wenn ich etwas gelernt habe in dieser Zeit, ist es loszulassen und Abschied zu nehmen und gleichzeitig offen für das Neue zu bleiben. Losgelassen und gleichzeitig gewonnen habe ich Menschen, Nähe, Distanz, Bücher, Sprachen, Gedanken, Vorstellungen, Wohnungen, Mentoren, Beziehungen, Perspektiven, Freundschaften, Patienten, Seen, Städte, Sätze, Kulturen und das Konzept der Konstanz. Jeder Verlust und Gewinn hat sich gelohnt und ich würde alles genauso machen. Das Ankommen in meinem Traumberuf als Musiktherapeutin hat meine Laterne angezündet.

Nach meiner fünfjährigen Ausbildung in den USA entschied ich mich, zurück in die Schweiz zu dislozieren, denn ich hatte echt Heimweh nach den Bergen. Meine Mentorinnen in den USA haben mich dabei unterstützt und mich auch darin bestärkt, dass ich als Musiktherapeutin sowieso lebenslänglich lernen werde und haben mich somit ermutigt, den Schritt in eine alte und trotzdem sehr neue Arbeitskultur zu wagen. Zurück in der Schweiz fand ich mich anfänglich nur schwer zu Recht und ich war dem SFMT sehr dankbar als Anlaufstelle für meine vielen Fragen „Wie läuft das mit der Musiktherapie eigentlich hier in der Schweiz“? Für  mich war sehr schnell klar, dass ich mich zum Upgrade Studium an der ZHdK anmelden möchte, denn die Fortführung meiner akademischen Laufbahn war für mich, nach dieser intensiven Studienzeit, wichtig. Aufgrund der flexiblen und unkomplizierten Aufnahme an der ZHdK durfte ich mit vielen Musiktherapeutinnen in Kontakt treten und neue Mentorinnen gewinnen. Die Aufnahme als ordentliches Mitglied im SFMT war in meiner Biographie ein wichtiger Anker und Ruhepunkt.

Kurz vor meinem Abschluss an der ZHdK hörte ich jedoch die Neuigkeit zur Höheren Fachprüfung – was ist das überhaupt und wozu, und geht’s denn eigentlich noch?

Wenn ich mich zurückerinnere, als ich mich entschied, die Höhere Fachprüfung anzugehen, staunte ich über die vielen Wörter, die ich trotz langjähriger Auseinandersetzung mit dem Beruf der Musiktherapeutin nicht kannte: ArteCura, HFP, Tertiärer Bildungsabschluss, Erkenntnisgeleitete Kriterien, Branchenzertifikat, Kunsttherapeutin (ED), Fachrichtungen, Intermedial, Modulzertifikat, Übergangsphasen, EMR und die Codepolitik. Alle Zellen meines Körpers waren mit Widerstand gefüllt und schrien „NEIN“. Mir wurde plötzlich bewusst, wieviel ich in den letzten zehn Jahren investiert, geopfert und auf mich genommen habe. Ich war fassungslos und erschöpft beim Gedanken, dass mir wieder eine Prüfung bevorstand, wieder musste ich aus heiterem Himmel Geld und Zeit zusammenkratzen, wieder meinem Umfeld mühselig erklären, dass ich trotz MAS Abschluss jetzt halt nochmals hinter die Bücher muss, wieder keine Zeit für mich! „Blödi Papierlischwyz“, kommentierte ich. Wiederwillig war für mich klar, dass ich auch diese ganze HFP angehen möchte, „das ist jetzt halt einfach ein Teil des Pakets“, sagte mir eine weise Frau.

Just Anfangs Mai habe ich die Vorbereitungsmaterialien zur HFP erhalten. Alle Musiktherapie-Bücher, die bei mir im Büro der Klinik liegen, habe ich in einen grossen Rollkoffer gepackt und zu mir nach Hause gezügelt. Einen Monat lang habe ich mir täglich die Literatur aus vielen verschiedenen Berufsfeldern zu Gemüte geführt: von Thaut, Peters, Taylor, Lutz-Hochreutener, Stegemann, Haslbeck, Hegi, Metzner, Hilleke bis Bruscia, es war eine grosse Bereicherung. Da ich die Bücher und Artikel bereits im Verlauf meines Studiums und meiner Berufspraxis gelesen habe, konnte ich mein altes Wissen auffrischen und im Kontext der Praxis auch nochmals aus einer neuen Perspektive verstehen, verinnerlichen und anwenden. Was mir seit der Auseinandersetzung mit der HFP auch auffällt, ist die Elaboration und Präzision meiner klinischen Sprache, die ich ganz bewusst verfeinern durfte. Das Prüfungswochenende war zudem auch eine positive Erfahrung, da sowohl die Experten, Schauspieler, wie auch die Prüfungsleiter äusserst wohlwollend waren. Zur Begrüssung gab es sogar ein kleines Snackpaket, das mit vielen kleinen Süssigkeiten gefüllt war.

Das wäre es dann auch schon von der eigentlichen Geschichte. Mehr kann ich zur HFP nicht berichten. Als ich mir vor Augen führte, wie viel Wissen und Erfahrung ich mir in den letzten Jahren angeeignet habe, war die HFP schlussendlich keine grosse Sache. Die Vorgeschichte ist tatsächlich länger, als die eigentliche Geschichte. Alles was ich in meiner Zeit in den USA, an der ZHdK und in der Praxis und Lehre gelernt habe, bereitete mich optimal auf die HFP vor und ich durfte mein Wissen nochmals bündeln.

Zusammenfassend kann ich sagen: „Wenn ich vor zehn Jahren gewusst hätte, was auf mich zukommt, hätte ich es trotzdem gemacht“. Als junge Berufseinsteigerin habe ich akzeptiert, dass ich lebenslänglich Musiktherapeutin sein werde und der schnelle und rasche Wandel unserer Zeit wohl noch viele Veränderungen in unserem Berufsfeld mit sich bringen wird. Ich entscheide mich auch heute dafür, Umwege zu gehen. Damit ich den Weg jedoch stets finden kann, scheint für mich das Wichtigste, dass auch durch die berufspolitischen Veränderungen, das Licht in meiner Laterne stets brennen bleibt.  

 

Diandra Russo

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