Erinnerungen Heidi Fausch

Von der Konfliktphase zur Konsolidierung

33 Jahre dauert mein Einsatz für die Entwicklung des Fachverbandes nun schon und es freut mich, dass ich zeitweise, besonders durch die internationale Arbeit fördernd wirken konnte, immer in Zusammenarbeit mit wunderbaren, motivierten Kolleginnen und Kollegen. Es waren so viele, dass ich drauf verzichten muss, Namen zu nennen, sie würden mehr als eine Seite füllen, und meine Vorgabe ist ca. eine Seite. Ihnen allen sei herzlicher Dank! Der SFMT ist ein wertvolles Gemeinschaftswerk. Lediglich die Namen meiner Vorgängerin und der Nachfolgerinnen werden erwähnt.

Die  Pionierzeit war gerade zu Ende, als ich 1988 die Redaktionsarbeit im Fachverband übernahm. Das Bedürfnis, eine gemeinsame musiktherapeutische Identität zu finden, war zentral. Viele hervorragende starke Pionierpersönlichkeiten waren der Meinung, die beste Musiktherapie zu vertreten. Einige hatten sich eine musiktherapeutische Ausbildung an ganz verschiedenen Schulen im Ausland geholt. Andere hatten eine Therapieausbildung und Musik als Hobby. Sie integrierten Musik in ihre Therapie, z.B. in Bewegungstherapien wie Alexandertechnik, Entspannungstechniken, Tanz- und Maltherapie, Heilpädagogik und in verschiedene Psychotherapieformen. Diese Therapeuten bildeten eine explosive Mischung. Andere Pioniere waren Musiker. Sie wollten Musik therapeutisch anwenden und suchten Weiterbildung, aber nicht primär in Musik. Es wurde hart diskutiert: Was ist richtige Musiktherapie? Wo ist die Grenze der Musiktherapie zu heilpädagogischem Musizieren und zur Musikpädagogik? Welche Ausbildung wird anerkannt? Genf, Lausanne, Zürich, Worb? Welche ausländischen Diplome werden anerkannt? Wie viel Selbsterfahrung vor der Ausbildung ist sinnvoll? Welche Selbsterfahrung wird anerkannt? Welche Vorbildungen sind Bedingung und gelten für die Aufnahme in eine Ausbildung? Musik, Gesundheitsberuf, pädagogischer Beruf, Matur, Therapiediplome? Welche Anzahl an Lehrtherapie- und Supervisionsstunden wird gefordert? Wer darf diese anbieten? Diese und noch viele weitere Streitpunkte gab es in den 90er Jahren. Hart bis giftig ging es manchmal zu, aber es waren alles wunderbare, motivierte Menschen. Dem Vorstand des SFMT gelang es immer wieder, alle Parteien an einen Tisch zu holen. Die harten Diskussionen und Streitereien gingen dennoch weiter, bis der internationale Einfluss der EMTC wirkte.

Mitten in dieser schwierigen Situation, 1988, begann ich mit der Redaktionsarbeit für das Bulletin, 1991 wurde ich in den Vorstand gewählt und übernahm 1993 das Präsidium von Anne Tillie Sahli. Es ging darum, Spaltung zu vermeiden und eine Gruppenidentität zu finden. Daher veranlasste ich 1993 die Schrift "Musiktherapie in der Schweiz", ein sachlicher Überblick über die Geschichte, die Situation, die Ausbildungen, den Fachverband und die Institutionen mit Musiktherapie. Das Logo wurde etwas modernisiert. Alle (!) machten mit und wollten erwähnt sein. Das beruhigte die Szene etwas.

Ein weiterer Erfolg war die Bezahlung durch einzelne Krankenkassen. Zuvor wurde mit minimalem Erfolg mit den Krankenkassen direkt verhandelt. Meine "Umweg"-Strategie, der Weg über die Basis, hatte mehr Erfolg. Die Patienten wurden ermuntert und unterstützt, die Forderung für Bezahlung der Musiktherapie mit einer ärztlichen Verordnung direkt an die Kassen zu stellen und zu erkämpfen. Das wirkte besser. Nun stellten jedoch die Kassen ihrerseits Anforderungen an die Leistungserbringer, wie z.B. die Verbandszugehörigkeit. In dieser Zeit arbeitete ich an verschiedenen internationalen Workshops mit und erkannte, dass die Ausbildungen in der Schweiz und die Situation mit der Bezahlung zwar recht gut waren, aber Qualitätskontrolle und Forschung fehlten, ebenso staatlich anerkannte Diplome oder Universitätsabschlüsse. Andere Länder waren in der musiktherapeutischen Berufspolitik schon viel weiter und die Musiktherapie war an einigen Hochschulen etabliert.

1995 gab ich das SFMT-Präsidium an Myriam Longchamp und Heidi Pinsard weiter, da mich meine berufsbegleitende Psychodrama Ausbildung im Ausland stark forderte und ich oft abwesend war. 1997 übernahm ich die Vertretung der Schweiz in der EMTC. Das war kein begehrter Posten, da er viel Geld und Freizeit kostete. Es gab noch keine Spesenentschädigung. Ich war vom Wert der internationalen Zusammenarbeit überzeugt und blieb über 15 Jahre bis 2013 Delegierte, davon neun Jahre im Vorstand als Vizepräsidentin. Die oben erwähnten SFMT-Themen waren in der EMTC schon lange zuvor diskutiert worden. Die ausgewogenen Ergebnisse der internationalen Arbeit wurden im SFMT als übergeordnete neutrale Richtlinien anerkannt und dienten dazu, die Uneinigkeit in der Schweiz zwischen verschiedenen Schulen zu schlichten und die drohende Spaltung zwischen den Musiktherapeuten der Romandie und denen der Deutschschweiz zu verhindern. Die kritischen Themen waren nach wie vor die verschiedenen Ausbildungsstandards, Lehrtherapie und Supervision.

Ein entscheidender Schritt wurde 2001/2002 mit der Übernahme des Ethik-Kodex der EMTC durch den SFMT gemacht. Damit hatte der Vorstand des SFMT endlich die Bedeutung der EMTC-Arbeit erkannt und entschädigte in der Folge dann auch die Spesen.

Am 25./26.4.2003 konnten wir den anregenden EMTC-Vorkongress nach Basel holen, die EMTC-Generalversammlung fand in Leissigen statt. Viele interessante Kontakte entstanden.

2008 wurden durch die EMTC international "minimal standards" für Musiktherapeuten eingeführt, welche auch vom SFMT übernommen wurden und internationale Berufstätigkeit ermöglichen.

Obwohl ich Vertreterin eines Nicht-EU-Landes war, verantwortete ich als Vizepräsidentin die Kontakte zu den Ländern Mitteleuropas, von Belgien bis Rumänien und Bulgarien. Die EMTC-Tätigkeit ermöglichte mir die Vermittlung von ausländischen Studienplätzen, von Stellen, Praktika, Dozenten und Weiterbildungen sowie den weiteren anregenden Austausch mit dem Ausland.

Dem SFMT wünsche ich, dass die offene kollegiale Arbeit erfolgreich auch international weitergeht.

 

September 2021                                                                                                                            

Heidi Fausch

 

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