Nachruf Prof. Dr. David Aldridge

Mit grosser Traurigkeit haben wir vom Tod von Prof. Dr. David Aldridge vernommen. Er ist im März 2020 im Alter von 73 Jahren an den Folgen einer kurzen, schweren Erkrankung verstorben. Viele Musiktherapeuten haben ihn in den letzten Jahrzehnten als inspirierenden Autor, Redner, Dozent, Mentor und Forscher aber auch als lebenslustigen und schaffensfreudigen Kollegen und warmherzigen Freund kennen und schätzen gelernt.

David Aldridge ist in Grossbritannien geboren worden. Nach seinem Kunststudium folgte das Studium der Psychologie, Sozialwissenschaften und Forschungsmethodik mit anschliessender Promotion. Für seine Habilitation kam er 1987 erstmals an die Universität Witten-Herdecke nach Deutschland, wo er neue Wurzeln schlug. Fortan hat er als Dozent und Mentor sowohl für die gesamte Fakultät für Medizin als auch speziell für das Institut für Musiktherapie an der Universität Witten/Herdecke unterrichtet. Er hat unzählige Masterarbeiten und Doktorarbeiten der gesamten Fakultät sowohl aus den Bereichen der Musiktherapie, der Pflegewissenschaft als auch Medizin betreut. Als Lehrstuhlinhaber für qualitative Forschung in der Medizin hat er einigen seiner Studierenden zu prägenden Publikationen sowohl in der Musiktherapie als auch im gesamten Gesundheitswesen verholfen. Durch seine inspirierende Förderung konnte es einigen seiner begleiteten Promovenden gelingen, Professuren in verschiedensten Teilen der Welt anzunehmen und dadurch sein Wissen weiterzutragen und zu entwickeln.

David Aldridge war es nicht nur ein Anliegen, interdisziplinär, sondern auch international Verbindungen zu knüpfen. So hat er die europäische und weitere internationale Zusammenarbeit gesucht und gepflegt und beispielsweise den Promotionsstudiengang für Musiktherapie an der Universität in Aalborg mit aufgebaut. Er hat den Studienaufbau der Musiktherapie in Krems unterstützt sowie in zahlreichen scientific boards internationaler Kongresse über viele Jahre in den Gesundheitsdisziplinen mitgewirkt sowie im wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Gesellschaft der Musiktherapie.

Besonders hervorzuheben sind Davids Aldridge zahlreiche Publikationen in Form von Büchern, Artikeln, Sammelbänden und Buchbeiträgen zur Musiktherapie und weiteren Themen der ganzheitlichen Medizin und Psychologie. Er hat sich unter anderem Themen der Demenz, palliativen Versorgung, Spiritual Care sowie Methodik der ganzheitlichen Medizinforschung gewidmet. Er hat zudem die Musiktherapiedatenbank und das Online Journal «Music Therapy Today» aufgebaut, um Wissen frei zugänglich zur Verfügung zu stellen.

Nach der Schliessung des Instituts für Musiktherapie und des Lehrstuhls für qualitative Forschung an der Universität Witten-Herdecke hat David Aldridge mit Prof. Lutz Neugebauer das Nordoff/Robbins Zentrum Witten aufgebaut, wo er bis zuletzt seine wissenschaftliche Arbeit für das Feld der Musiktherapie fortführte. Für sein Lebenswerk erhielt er verschiedenste Auszeichnungen, wie bspw. 2011 den Life Time Membership Award von der World Federation of Music Therapy.

Ich selber durfte David Aldridge als Dozent und Supervisor meiner Masterarbeit sowie später als Kollege am Institut für Musiktherapie und als Doktorvater erleben. Ich habe ihn in dieser Zeit als einen brillianten Denker und Wissenschaftler erleben dürfen, der für die Wissenschaft brannte und dem es gelang, diesen Funken der Lust und Neugier aufs Erforschen von Phänomenen und Therapieprozessen auf viele seiner Studenten und Kollegen überspringen zu lassen. Insbesondere in der Betreuung meiner Doktorarbeit habe ich seine Denkanstösse sehr geschätzt und die grosse Freiheit, die er mir zum eigenen Erforschen, Denken und Grübeln liess, ohne mich dabei allein zu lassen. Ich würde seine Supervisionsqualitäten nicht einfach als Dozieren, sondern als «Empowern» und Befähigen beschreiben – oder um es mit den Worten des Philosophen Khalil Gibran, leicht abgewandelt, auszudrücken:

Eure Kinder (Studierende) sind nicht eure Kinder (Studierenden)… Ihr dürft ihnen eure Liebe (Wissen) geben, aber nicht eure Gedanken, denn sie haben ihre eigenen Gedanken… Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder (Studierenden) als lebende Pfeile ausgeschickt werden.

Diese Offenheit und Freiheit hat David Aldridge auch in privaten Begegnungen leben können. Er war interessiert an den individuellen Persönlichkeiten und Lebensgeschichten seiner Mitmenschen und Studenten. So lud er bspw. jedes Semester zu sich nach Hause zum Essen ein, das er selber für uns zubereitete. Denn David Aldridge war wohl nicht nur ein brillianter Denker und Wissenschaftler, sondern auch ein Ästhet und Künstler, leidenschaftlicher Gärtner, Fotograf und exzellenter Koch, mit der richtigen Portion britischem, erfrischendem Humor.

David Aldridge wird eine grosse Lücke in der Musiktherapie-Landschaft, aber wohl auch als Partner, Freund, Vater, Grossvater, Urgrossvater und Kollege hinterlassen. Mögen wir seine nährenden Erinnerungen und inspirierenden Gedanken als lebende Pfeile weiter in die Welt hinaustragen.

 

Friederike Haslbeck

 

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