Nouvelle publication
Le vol. 4 de la série Zürcher Schriften zur Musiktherapie (publ. de la ZHdK) „Burnout und Musiktherapie“ de Felicitas Sigrist est sorti en janvier 2017.
Nos félicitations !
Geleitwort der Herausgeberinnen
Effizient, kostenbewusst, von hoher Qualität, nachhaltig, flexibel, verantwortungsbewusst… Von solchen Parametern definiert, verlangt die Bewältigung des Alltags in Arbeit, Familie und Freundeskreis Höchstleistungen. Die vielfältigen technischen Errungenschaften, der nahezu unbeschränkte Zugang zu Wissen, die weitreichenden Möglichkeiten virtueller Verbundenheit bringen vielfältige Erleichterungen, in ihrer überflutenden Weise aber auch Heraus- bis Überforderungen mit sich. Die (scheinbar) von aussen erwartete und als Selbstanforderung internalisierte hohe Lebensdynamik fordert ihren Tribut.
Diese Entwicklung spiegelt sich im Begriff Burnout, der in den letzten Jahren eine fast inflationäre Bedeutung erlangt hat und in unseren Breitengraden quer durch alle Alters- und Gesellschaftsschichten in aller Munde ist. Die Metapher sagt es deutlich: Die Energie ist erschöpft, das Lebensfeuer brennt kaum noch, es lässt sich kein Holz zum Nachlegen finden.
Was aber beinhaltet und umfasst der Begriff genau? Wie lässt sich Burnout über das subjektive Krankheitserleben der Betroffenen hinaus fassen und erklären? Auf welche Weise können Menschen mit Burnout-Symptomen entwicklungsförderlich begleitet werden? Welche spezifischen Qualitäten hat die Musiktherapie in diesem Zusammenhang zu bieten?
Felicitas Sigrist geht solchen Fragen äusserst differenziert nach, wobei in all ihren Ausführungen der breite Erfahrungsschatz als Ärztin, Psychotherapeutin und Musiktherapeutin deutlich wird. Sie fasst phänomenologische, neurophysiologische und sozial-philosophische Sichtweisen zum Phänomen Burnout profund und gut nachvollziehbar zusammen. Darüber hinaus entwickelt sie einen neuen Erklärungsansatz von Burnout als Resonanzstörung. Er wird überzeugend damit begründet, dass die wesentlichen, empirisch belegten Risikofaktoren bei Burnout im Bereich ungünstiger Interaktionsmuster mit sich selber und der Aussenwelt liegen, und dass diese auf früheren, persönlichen Beziehungserfahrungen – ungünstigen oder fehlenden Resonanzerfahrungen – beruhen.
Eine wahre Fundgrube sind die Implikationen, die vor diesem Hintergrund für die therapeutische Praxis hergeleitet werden. So wird die Notwendigkeit von Mehrdimensionalität und Multimodalität des therapeutischen Vorgehens ausführlich begründet und beschrieben sowie der Einsatz von Psychopharmaka von verschiedenen Seiten her reflektiert. Ebenso wird genau unterschieden zwischen fördernden Massnahmen im Hinblick auf die Erhaltung von Gesundheit und Wohlbefinden einerseits und gezielt präventiven Interventionen andererseits.
All diese Überlegungen gelten auch für die Musiktherapie mit Menschen, die von Burnout betroffen sind. In umfassender und äusserst differenzierter Weise werden verschiedene Zielrichtungen des Einsatzes von Musik-Hören und Musik-Spielen
beschrieben: zur Animation, als musik-medizinische Massnahme und als psychodynamisch orientierte musiktherapeutische Interventionen im engeren Sinn.
Der – noch kleine – Forschungsstand zu Musiktherapie bei Burnout wird vorgestellt und kritisch reflektiert, um dann ins Herzstück der Arbeit überzuleiten, den verschiedenen musiktherapeutischen Ansatzpunkten: Entspannungsförderung, Achtsamkeitspraxis, Ressourcenaktivierung, Selbstwahrnehmung, Kompetenzerweiterung und Persönlichkeitsentwicklung. Die differenzierten Ausführungen dazu werden durch lebendig geschilderte Praxisbeispiele veranschaulicht. Es wird gut nachvollziehbar herausgearbeitet, wodurch Musiktherapie als psychotherapeutische Methode besonders geeignet ist, von Burnout betroffene Menschen zu begleiten, da sie zentral mit interpersoneller Resonanz arbeitet, aktivierend wirkt und multimodal ansetzt.
Felicitas Sigrist argumentiert dabei immer bescheiden, verliert sich nicht in übertrieben begeisterten Ausführungen über die weitreichenden Wirkfaktoren von Musik. Im Gegenteil stellt sie gerade in den Schlussbetrachtungen nochmals differenziert kritische Überlegungen an, wann es wie und wozu sinnvoll ist, im Zusammenhang mit Burnout Musik zu hören oder zu spielen – und zeigt auf, worin die Spezifitäten sorgfältig eingesetzter musiktherapeutischer Interventionen vor dem Hintergrund einer therapeutischen Beziehung liegen.
Auch der Therapieberuf ist multiplen Herausforderungen ausgesetzt. Zum einen steht tagtäglich die Auseinandersetzung mit den belastenden Themen und Überforderungen der Patientinnen und Patienten an. Zum andern wächst der Druck im Arbeitsfeld. Felicitas Sigrist geht nicht explizit auf Burnoutprophylaxe im Therapieberuf ein, implizit aber lassen sich die Ausführungen bestens darauf übertragen. Insbesondere ihre Erläuterungen zu den multidimensionalen Risikofaktoren und die Ausführungen zu geeigneten Massnahmen enthalten viele wertvolle Anhaltspunkte für den eigenen Umgang mit beruflich bedingtem Stress.
Fachlich-inhaltlich, sprachlich und strukturell ist dieses Buch ein Glücksfall für Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten sowie auch für Fachpersonen aus verwandten Berufsfeldern, die sich beruflich und persönlich mit dem Phänomen Burnout auseinandersetzen möchten. Es sei ihm eine weite Verbreitung gewünscht.
Sandra Lutz Hochreutener und Beate Roelcke
CH-Zürich, im Juli 2016
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